Am Ende war die Tat
von Elzabeth George
Die Innenansicht eines Mordes
Inspector Lynleys Frau und sein ungeborenes Kind fielen einem willkürlichen Akt sinnloser Gewalt zum Opfer. Doch was hat einen gerade erst 12-Jährigen zu dieser schrecklichen Tat getrieben?
Nur wenige Straßen trennen das noble Kensington, wo Chief Inspector Lynley und seine Frau Helen wohnen, von North Kensington. Dort sind der kleine Joel und seine Geschwister bei ihrer Tante Kendra untergeschlüpft. Kendra tut für die elternlosen Kinder, was sie kann, ist aber überfordert mit Ness, die die Schule schwänzt, Drogen nimmt und sich auf eine Affäre mit dem Drogendealer Blade einlässt.
Als Ness merkt, dass Blade sie betrügt, macht sie ihm auf offener Straße eine Szene – eine Schmach, die Blade nicht auf sich sitzen lässt. Joel bemüht sich nach Kräften, die häusliche Situation unter Kontrolle zu halten und seinen kleinen Bruder Toby vor den Übergriffen grausamer Jugendlicher zu behüten. Als Joel erkennt, dass nur Blade die Macht hat, Toby zu schützen, schließt er einen Pakt mit dem Teufel – und sowohl Joel selbst als auch Lady Helen werden dessen Opfer sein …
Mit “Am Ende war die Tat” hat Elisabeth George sich auf ein gänzlich anderes Terrain begeben und keinen klassischen Kriminalroman geschrieben, sondern eine erschreckende und total erschütternde Millieustudie der sozialen Unterschicht Englands.
Elisabeth George gelingt es mit einer unglaublichen Tiefe und Detailgenauigkeit das Schicksal von Joel fast wie eine Biographie zu beschreiben. Dabei ist sie nie effekthascherisch, überzogen oder verspielt. So unbegreiflich geradlinig das Schicksal von Joel ist, so geradlinig, schnörkellos und doch warmherzig und anrührend ist die Story angelegt. Als Leser sieht man plötzlich die Welt aus Joel’s Augen und versteht, was da um ihn herum und damit auch mit ihm passiert. Und seine Tat sieht man plötzlich aus ganz anderen Augen, als beim Lesen von “Wo kein Zeuge ist”.
Für mich ist “Am Ende war die Tat” eindeutig der beste Roman aus Elisabeth Georges Feder – und ich finde auch die meisten Lynley-Romane richtig gut. Ich habe Lynley nicht vermisst, sondern war gefangen von dieser unglaublich tragischen Story, die keinerlei Durchhänger hatte und auch nie nur den Hauch von Langeweile aufkommen liess. Nüchtern und weitestgehend wertfrei skizziert sie neben Joel auch das Schicksal seiner Tante Kendra, die mit ihrer plötzlichen Ersatzmutterrolle hoffnungslos überfordert ist sowie die Schicksale von Ness und Toby, die letztendlich Grund für die Tat von Joel sind.
Auch wer bisher noch kein Buch von Elisabeth Goerge gelesen hat, kann diesen Roman problemlos in Angriff nehmen, denn er ist an sich komplett eigenständig – auch wenn er den oben beschriebenen Querbezug aufweist. Dies ist aber nur der Aufhänger für die Story, nicht mehr und auch nicht weniger.
Ich kann auch all die Leser verstehen, die enttäuscht sind, weil Lynley hier keine Rolle spielt. Wer sich aber von Anfang an genau darauf einstellt, nämlich ein völlig eigenständiges und stilistisch ungewohntes Werk von Elisabeth George vor sich zu haben, der wird keinesfalls enttäuscht sein.
“Am Ende war die Tat” ist absolut lesenswert!!!