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Geschichte der Magie

Geschichte der Magie

Die frühesten schriftlichen Quellen der Magie reichen bis in die Zeit der mesopotamischen, sumerischen und altägyptischen Hochkulturen zurück.  Auch aus der Steinzeit wurden Hinterlassenschaften wie Höhlenmalereien, Artefakte oder Steinkreise entdeckt, die als Hilfsmittel zur Durchführung magischer, dem Schamanismus heutiger Zeit nicht unähnlicher Handlungen und Zeremonien gedeutet werden. Im antiken China der Shang und der Zhou-Zeit übten die Wu und die Fangshi magische Praktiken aus, später auch der Daoismus und die chinesische Volksreligion. Ähnlich weit reichen die magisch-mythologischen Überlieferungen insbesondere des nordisch-europäischen, römischen, griechischen und hebräischen Kulturkreises zurück.

 

Mesopotamien

Sumerische und akkadische Schriften, die bis ins Jahr 2600 v. Chr. zurückreichen und ab dem 2. Jahrtausend v. Ch. schriftlich vorliegen, erzählen von bekannten Zauberpraktiken wie dem Nestelknüpfen (benannt nach der Nestel, einem auch Nestelband genannten Schnürriemen an der Hose eines Mannes), Liebeszauber, Potenzzauber und Bildzauber. Auch Astrologie und Divination mittels Tiereingeweiden werden beschrieben. Ab dem 1. Jahrtausend v. Chr. wurden Handbücher systematisiert, die für Spezialisten am Hofe gedacht waren. Hervortretend ist hier eine apotropäische Magie, die sich jedoch in die offizielle Religion und das Weltbild einfügte. Ea oder Enki, der Gott der Weisheit galt auch als Gott der Magie, und Asalluhi galt als göttlicher Beschwörungspriester. Asalluhi war der Sohn Eas und wurde später mit dem babylonischen Marduk gleichgesetzt. Magier waren in der sumerischen und akkadischen Gesellschaft hoch angesehen. Für Beschwörungen und Exorzismus war ein Asipu zuständig, für Diagnose und Therapie von Krankheiten ein Asu, und für die Weissagungen der Baru.

 

Magier in Mesopotamien identifizierten sich mit dem Gott Marduk oder bezogen ihre Künste auf halbgöttliche, urzeitliche Weise, die als Lehrer der Menschheit galten. Magie wurde als das „Geheimnis des Himmels und der Erde“ bezeichnet, und um diese Geheimnisse zu erlangen, musste ein Magier ein Weiser werden und sich mit den schriftlichen Überlieferungen vertraut machen. So gehörten Magier zu den wenigen, die als Schriftkundige die Botschaften babylonischer Schriften verbreiteten, als Gelehrte öffentlich wirkten, auch Hausbesuche machten, über Probleme diskutierten und Lösungen suchten.

 

Einen Dualismus, wie es ihn in der christlichen Magietheorie gibt, in der Gott und der Teufel bestimmende Elemente von Religion und Magie sind, gab es in den frühen mesopotamischen Kulturen nicht. Die Götter galten selbst als Magoi, eine abgrenzende Dämonologie wurde nicht entwickelt, und der Magier war ein konstitutives gesellschaftliches Element.

 

Ägypten

In der ägyptischen Mythologie war Thot der Gott der Magie. Religion, Mythologie und Magie waren im Alten Ägypten untrennbar miteinander verbunden und hatten großen Einfluss auf das Leben der Menschen. Die altägyptischen Mythen und die damit verbundenen religiösen und magischen Rituale drehten sich im Wesentlichen um die Erschaffung und Zerstörung der Welt, die Geschichte um Isis und Osiris, den Streit zwischen Horus und Seth und die tägliche Reise des Sonnengottes Re.

 

Eines der bekanntesten magischen Symbole aus dem Alten Ägypten ist das Auge des Horus. Die Augen des Horus symbolisierten Sonne (rechts) und Mond (links). In dem Kampf um den Thron seines Vaters mit Seth verletzte Seth ihm das linke Auge schwer. Dieses wurde von Thot (als Symbol für Mond), nach anderen Versionen von seiner Mutter Isis (als Symbol für Weiblichkeit), geheilt. Das Auge des Horus ist deshalb ein Schutzsymbol und wird auch als Amulett verwendet. Das Horusauge ist auch eine ägyptische Hieroglyphe in der Bedeutung: intakt, vollständig, heil, gesund.

 

Griechenland

Altgriechische Quellen, in denen Magie erscheint, sind die, die mit der homerischen Dichtung im Zusammenhang stehen, Quellen der hellenistischen Periode und Quellen der römischen Kaiserzeit, die stark synkretistisch ausgerichtet sind. Der früheste schriftliche Hinweis auf Magie in Griechenland findet sich in Homers Odyssee, in der Odysseus der Zauberin Kirke begegnet.

 

Wunderwirker, Magoi, denen magische Kräfte nachgesagt wurden und die dafür berühmt waren, sind im 6. Jahrhundert v. Chr. der Mathematiker und Metaphysiker Pythagoras, eine historische Figur, und der halbmythische Orpheus, auf den sich die orphischen Mysterien beziehen.

 

Aus jüngerer Zeit, dem griechisch-römischen Ägypten, stammen Fragmente von Büchern über Zauber-Rezepte. Hervorzuheben sind hier die Papyri Graecae Magicae, die aus dem 2. Jahrhundert stammen, wahrscheinlich jedoch auf ältere Quellen zurückgehen. Einige Zauberrezepte beziehen sich auf Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten. Die Zauberrezept-Bücher haben häufig den Charakter privater Notizbücher, da sie spezielle Rezepte, Notizen, Gedanken und Hinweise praktizierender Magier enthalten, die jedes Rezept zunächst testeten, verbesserten und dann seine Formel niederschrieben.

 

In der Wissenschaft gibt es die Vermutung, diese Zauberpapyri stammten aus der ägyptischen Religion, jedoch gehen andere Fachleute wie Fritz Graf davon aus, dass im 2. Jh. n. Chr. bereits ein graeco-römischer Paganismus vorlag, in dem die ägyptische Religion aufgegangen sei. Graf nimmt an, dieser gehe auf viele Quellen zurück, z. B. griechische, jüdische, babylonische, sumerische und assyrische. Das Ergebnis nennt er einen „spätpaganen Synkretismus“. Die griechischen Zauberpapyri zeigen ein synkretistisches Pantheon auf, in dem ägyptische, griechische und römische Götter gleichberechtigt nebeneinanderstehen und auch JHWH und Jesus zu diesen Göttern der Magie hinzugetreten sind.

 

Im antiken Griechenland und Rom lagen nach Graf wechselnde Ansichten über Magier vor. Der Magos war mit der Figur des Goes assoziiert. Der Goes wurde als Vermittler zwischen Göttern und Menschen angesehen und stellte eine Art Ekstase-Heiler oder Wahrsager dar, der an traditionelle Schamanen erinnert. Goetia, ein Wort, das im Mittelalter speziell mit schwarzer Magie in Verbindung gebracht wurde, stammt von diesem griechischen Wort Goes ab. Im antiken Griechenland lagen bereits zu einer frühen Zeit Anklagen gegen Magier vor, denen vorgeworfen wurde, Tote zu beschwören und Menschen zu verhexen, und es war in der hellenischen Welt allgemein auch üblich, seine Nachbarn der Zauberei zu bezichtigen.

 

Platon sah in Magiern und Zauberern eine Bedrohung des rechten Verhältnisses, in dem normalerweise Menschen und Götter vereint seien. Auch erwähnt er eine Unterscheidung zwischen Religion, in der die Götter freie Entscheidung hätten, und Magie, die versuche, die Götter zu bestimmten Handlungen zu überreden.

 

Zu einer der mächtigsten Formen der Magie gehörte es in der Antike bis in unsere Zeit, eine geheime Kraftquelle zu erlangen. Durchdachte Rituale und die Kenntnis von geheimen sogenannten barbarischen Namen genügten zwar nach damaliger Ansicht, um die niederen Götter sich gewogen zu machen und zugunsten des Magos zu beeinflussen, jedoch bedurfte es einer Initiation, um ein echter Magier zu werden. Die Magier der Antike strebten danach, wirksame Bindungs- und Verfluchungszauber zu sammeln, jedoch versuchten sie auch, eine Kenntnis der Namen von Gottheiten zu erwerben, die um konkrete Formen des Beistandes angerufen werden konnten. Der heilige Name einer Gottheit wurde als deren Attribut gedacht, und ihren heiligen Namen zu kennen, bedeutete, an ihrer Macht teilzuhaben. Da es streng verboten war, Details über Initiationsriten zu verraten, wurde das Wissen um Geheimnisse mehr und mehr das Kennzeichen der Magie.

 

Von einigen Formen der griechischen Magie wurde angenommen, der Magier habe einen Parhedros, einen göttlichen oder übermenschlichen Beistand, der den Verbündeten des traditionellen Schamanismus stark ähnelt. So behauptete Irenäus von Lyon, der Gnostiker Markion habe einen Parhedros gehabt und dieser habe Markion bei seinen Prophezeiungen unterstützt. Einem Parhedros wurden mannigfaltige magische Kräfte zugesprochen, von Wasser, Wein, Brot herbeizuschaffen über Giftzähne von Schlangen zu zerbrechen und Gegner umzubringen bis zu Bankettsäle aus Gold und Silber zu erschaffen. Der Philosoph Kelsos sagte Jesus nach, dieser sei ein Magier gewesen, da er einige solcher Fähigkeiten gehabt habe.

 

Magie war jedoch nicht nur darauf beschränkt, praktische Ergebnisse zu erreichen, sondern der Magier strebte eine spirituelle Transformation durch bestimmte Rituale an. Das Ritual Sustasis to Helios beispielsweise diente dazu, den Magier in einen „Herren von göttlicher Natur“ zu verwandeln. Dieses Ritual wurde als eine Invokation des Seth-Typhon interpretiert, dessen Wesen der Magier einnimmt. Seth-Typhon übernimmt hier die Rolle eines Sonnengottes, der Tod und Wiederauferstehung durchlebt, ein Motiv, welches auch in der modernen westlichen Magie noch vorhanden ist.

 

Ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. sind in verschiedenen Regionen des Mittelmeerraumes die Mysterienkulte nachgewiesen. In diesen scheint es Überschneidungen mit den magischen Initiationen gegeben zu haben. Im Gegensatz zur Magie stellten die Mysterien jedoch nichts Individuelles dar, sondern einen gemeinschaftlichen Kult und Ritus. Infolge der Mysterienkulte waren Magie und Mythos nun von einer direkten Begegnung mit den Göttern geprägt, und Initianden der Mysterien und Magier suchten nun nach Mitteln und Wegen, um die Götter in ihr Alltagsleben zu integrieren sowie nach einem engeren Kontakt zu den Göttern. Auch visionäre und meditative Techniken wurden nun erforscht, um das Heilige zu erlangen. Es bildete sich eine Magie, die nach persönlicher Begegnung mit den Göttern suchte, die Theurgie. Die Frucht der Theurgie wurde Gnosis genannt, das „heilige Wissen“. Von der Antike bis zur Neuzeit bildete dieser gnostische Gedanke den eigentlichen Kern der magischen Tradition des Westens.

 

Ein erster Gipfel rationaler Auseinandersetzung mit magischen Praktiken beginnt ebenfalls in der griechischen Antike. Der Bund der Pythagoreer bereitete hierfür den Boden. Denker wie Platon und Aristoteles unterzogen Theurgie und antike griechische Theologie bis in die Ethik hinein philosophischer Betrachtung.

 

Prägend auch für die spätere Magie war Jamblich, dessen Werk De mysteriis Aegyptorium zwischen Zauberei, die abzulehnen ist, und der Theurgie unterscheidet. Als Begriff stammt die Theurgie aus den chaldäischen Orakeln und gilt als grundlegend auch für Proklos Philosophie. Nach diesen Philosophen ist die Theologie nur auf den Logos bezogen, während Theurgie Theorie und Praxis umfasst. Theurgie hat die Henosis, die Einigung mit dem Göttlichen, zum Ziel; die Praxis gilt als Gotteswerk und Vollzug gottgegebener Riten. Der Götterzwang wird hier aus der Magie entfernt, die sich in der Theurgie in eine philosophische Religion umwandelt. Formen von Opfer und Gebeten, Ekstase und Verwendung von Kultbildern und anderen magischen Praktiken erhalten in der Theurgie eine neue Bedeutung.

 

Wesentliche Einflüsse der Antike und Spätantike auf die Magie und das Magieverständnis Europas stellten die Lehren der Gnosis dar, der Neuplatonismus und die Schriften Augustinus, der durch den Neuplatonismus beeinflusst eine Dämonologie und Magietheorie darlegte, die den mittelalterlichen Theologen das Gerüst gab, Magie nun als Dämonenpakt und Teufelspakt anzusehen und zu verfolgen.

Rom

In der Zeit der römischen Republik wurde als Goes ein Seher oder Wahrsager bezeichnet, während der Begriff Magos sich nur auf die Vertreter der persischen Priesterschaft mit ihren traditionellen Riten und Divinationen bezog. Ab 27 n. Chr., unter Augustus, wurde erst mit Magus ein Hexenzauberer bezeichnet. Zur Zeit des Plinius verstand man dann unter Magia auch Heilkunde, Astrologie und Divination. Ein typisches Element der Magie waren die Fluch- oder Bindungstäfelchen. Ursprünglich scheinen sie aus Griechenland zu stammen, wo sie ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. nachweisbar sind, und von dort haben sie sich über den Mittelmeerraum weiter verbreitet. Die ersten Fluchtäfelchen, Katádesmoi (griechisch κατάδεσμοι katádesmoi) oder Defixiones, waren dünne Bleiplättchen, in die der Name des Opfers eingeritzt war. Später nahmen sie ausgefeiltere Formen an und enthielten zunehmend längere Texte. Zur Herstellung wurden komplexe Rituale verwendet, in denen Puppen verbrannt, gefesselt oder durchbohrt wurden. Die Fluchtäfelchen wurden in Gräber, Brunnen oder Gruben versenkt, um das Opfer den Dämonen oder Geistern auszuliefern. Solche Defixiones waren dazu gedacht, andere Menschen dem eigenen Willen zu unterwerfen. Sie wurden als Liebeszauber verwendet oder etwa auch um gerichtliche und wirtschaftliche Konkurrenten auszuschalten. Es gab bereits im antiken Rom Gesetze gegen schwarze Magie, beispielsweise war es verboten, böse Zaubersprüche zur Verfluchung von Ernten anzuwenden. Solche Sprüche wurden Mala carmina genannt, während gute Carmina, Inkantationen, als heilkräftig galten, jedoch wurden die Inkantationen nicht als Magie bezeichnet.

 

Aus römischer Zeit sind Beschreibungen der Tricks von Magiern und Wahrsagern überliefert, etwa in der “Widerlegung aller Häresien” des hl. Hippolyt von Rom, der allein schon etwa drei Dutzend dieser angeblich magischen Vorführungen kennt und entlarven wollte. In experimentalarchäologischen Versuchen ließ sich zeigen, dass einige dieser Tricks tatsächlich funktioniert haben.

 

Im 5. Jahrhundert v. Chr. erschien Magie in Rom im Zwölftafelrecht als Strafrechtsdelikt. Später wurde unter Kaiser Konstantin auch die Divination unter Strafe gestellt. Magie wurde nun dazu benutzt, um politische und ideologische Gegner zu bekämpfen. Kaiser Valens ließ beispielsweise wegen des crimen magiae die hellenistisch-heidnische Opposition hinrichten, die angeblich versucht hatte, durch Tischrücken den Namen des zukünftigen Kaisers zu erfahren. Das Verbrechen der Magie bezog sich weniger auf individuelle Magier, sondern eher auf Gruppen, die als Organisation angeblich im Untergrund wirkten. Dieses Motiv der organisierten Opposition lebte fort in den christlichen Vorstellungen über Teufelssekten, die vermeintlich aus nicht-konformen Mitgliedern der Gesellschaft wie Häretikern, Juden, Apostaten und schließlich Hexen bestanden.

 

Mittelalter

 

Magie im frühen Skandinavien

Im mittelalterlichen Schrifttum kommt die Magie an mehreren Stellen vor. Seið (f. und n.) ist der norrøne Ausdruck für Magie. Diese umfasst den magischen Angriff auf eine Person und die Wahrsagerei. Dem Begriff liegen bestimmte mythologische Vorstellungen zu Grunde und er ist in ein größeres religiöses System eingebunden, welches in den subarktischen Kulturen verbreitet war. Deshalb ist die Magie der Seiðkona (Zauberin) und der seiðrmenn (Magier) mit dem sibirischen Schamanismus eng verwandt.

 

Im skandinavischen Raum der Wikingerzeit wurde der Seiðmaðr verachtet und oft verfolgt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass seið an den Kult der Göttin Freyja geknüpft und daher von Frauen ausgeübt wurde. In den eddischen Schimpfreden Lokis wirft dieser Odin vor:

 

En þik síða kóðo

Sámseyo í,

ok draptu á vétt sem völor,

vitka líki

fórtu verþjóð yfir,

ok hugða ek þat args aðal.

 

Von dir sagt man

du habest in Sámsey gezaubert

und mit einem Stab auf einen Deckel geschlagen,

Zauberern gleich

zogst du durchs Volk,

und das scheint mir weibisch.

 

Dabei ist das Wort „arg“ in der letzten Zeile bedeutsam: Es bedeutet weibisches Auftreten, passive Homosexualität und rituelle Änderung des Geschlechts. Odin hat durchaus schamanistische Züge.Der Sohn Harald Hårfagres mit der Samin Snøfrid Svåsedotter namens Ragnvald war Seiðmaðr. Nach der Historia Norwegiae wurde er ertränkt, die für seiðmenn übliche Hinrichtungsart. Offenbar hielt sein Vater ihn für pervers. Nach Mircea Eliade war bei den sibirischen Schamanen die Veränderung des Geschlechts oder der Transvestitismus üblich. Dazu zwangen ihn die Geister.

 

Auch in den Isländersagas spielt die Magie hin und wieder eine Rolle. So tötet Kotkell, ein Einwanderer aus den Hebriden, in der Laxdæla saga Þórður, der ihn wegen Zauberei vor das Allting geladen hatte, durch Zauberei:

 

„Siðan lét Kotkell gera seiðhjall mikinn. Þau færðust þar á upp öll. Þau kváðu þar harðsnúin fræði. Þat váru galdrar. Því næst laust á hríð mikilli.“

 

„Darauf ließ Kotkel ein großes Zaubergerüst errichten. Sie [er und seine Söhne] stiegen alle zusammen hinauf. Da ließen sie erklingen grimmig gefügte Weisen: Das waren Zaubersprüche. Sofort brach ein starkes Unwetter los.“

 

Þórðr, der mit einem Schiff abgefahren war, kam bei dem Sturm um. Kotkel wurde später mit einigen Söhnen gesteinigt, ein anderer Sohn wurde ertränkt. Man zog gefangenen Zauberern sofort einen Sack über den Kopf, um den „bösen Blick“ zu verhindern. Kotkels letzter Sohn Stigandi wurde schließlich auch gefangen. Der Sack hatte einen Riss, durch den er auf einen Wiesenabhang schaute.

 

„En því var líkast sem hvirfilvindr komi at. Sneri um jörðunni, svá at aldregi síðan kom þar gras upp. Þar heitir nú Brennu“

 

„Es war nun gerade so, als käme ein Wirbelwind darüber und kehrte den Boden um, so dass dort niemals mehr Gras gewachsen ist. Der Ort heißt nun Brenna.“

 

– Laxdæla saga Kap. 38, übersetzt von Rudolf Meißner.

Auch er wurde gesteinigt.

 

Magie im christlichen Europa

Zwischen 300 und 1050 n. Chr., der Zeit der Christianisierung Europas, wurde Magie gleichgesetzt mit Paganismus, ein Begriff, der die Religionen der Kelten, Slawen, Germanen, Skandinavier und anderer nicht-christlicher Völker bezeichnete, die von christlichen Missionaren dämonisiert wurden. Trotzdem wurden diese einheimischen Praktiken und Glaubensformen christianisiert und zu eigenen Zwecken verwendet, insbesondere von Kirchenführern. So wurden z. B. in Klöstern Schriften aufgefunden, die christliche Riten und Rezepte mit germanischen Volksritualen verbanden. Diese Magie wurde verwendet, um dämonische Mächte abzuwehren, Angriffe von Elfen oder Heilungen herbeizuführen. Trotz Verdammung der Magie bzw. der Heilzauber durch die christliche Kirche konnte diese sich erhalten und bildete einen Komplex von einheimischen und christlichen religiösen Formen. Ähnliche komplexe Verbindungen von Christentum und einheimischen magischen Praktiken finden sich später in Afrika und Südamerika.

 

In der Periode des Hochmittelalters (1050–1350) wurde die im lateinischen Mittelalter in allen ihren Handlungen als suspekt[27] angesehene Magie von der christlichen Kirche zwar als Häresie angesehen und bekämpft, jedoch zeugen vielfältige Schriften und Rezepte davon, dass die Magie dennoch weit verbreitet war. Ebenso war in der Literatur dieser Zeit Magie ein wichtiges literarisches Thema, z. B. der Zauberer Merlin in den Artus-Mythen.[28][29] Magie galt zudem von der Spätantike bis ins 15. Jahrhundert vorwiegend nicht als gesicherte scientia, sondern als ars (Kunst).

 

Als Wechselwirkungen des Christentums mit magischen Aktivisten kamen im Mittelalter spezifisch christianisierte Formen der Magie auf. Die Grimoires als Zauberbücher, welche Dämonologie oder Angelologie lehrten, verbreiteten magische Praktiken, die mit christlichen Elementen durchsetzt waren. So sollte der Magier fasten, beten und die Dreieinigkeit anrufen, damit er göttliche Macht erhielt, um Dämonen zu bezwingen.

 

Im Mittelalter unterscheidet Wilhelm von Auvergne erstmals eine göttliche Magia naturalis von einer destruktiven teuflischen Magie.

 

Die Aufzeichnungen Abrahams von Worms von 1387 bekunden den ersten schriftlich überlieferten und vollständig erhaltenen Ritus eines jüdischen Mannes zur Bändigung dienstbarer Geister unter dem Patronat des heiligen Schutzengels. Mit überliefert wurde sein magischer Lebensweg, eine spätmittelalterliche Autobiographie. Der ethische Anspruch dieser Magie rückt den Text zur Magia naturalis.

 

Im Jahre 1496 beschrieb Giovanni Pico della Mirandola sein Verständnis des Phänomens Magie in Über die Würde des Menschen: „Wie der Landmann die Ulmen mit den Reben des Weinstocks, so vermählt der Magier die Erde mit dem Himmel, das heißt das Untere mit den Gaben und Kräften der Oberwelt.“

 

Das unter dem Titel De Occulta Philosophia 1530 veröffentlichte Buch des humanistischen Theologen, Doktors der Rechte und der Medizin, Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, fußt auf den Schriften Giovanni Pico della Mirandolas und stellt die weltweit erste systematisch gegliederte theoretische und praktische Gesamtdarstellung der Magie dar.

 

Paracelsus, der Alchemist und „Erneuerer der Naturheilkunde“, lehnte die auf Aristoteles zurückgehende Scholastik und die damit verbundene streng überlieferte Medizin der Tradition Galenus ab. Mit unbändiger Wissbegierde lernte er Heilkunde von Menschen aller Gesellschaftsschichten. Magie sah er in Anlehnung an Pico della Mirandola, der sie als Vollendung der natürlichen Philosophie bezeichnete, als „muter aller verborgen ding der natur, zu wissen, was die natur antrifft“ an. Sie bedeutete für ihn (als magia naturalis) Vehikel zur Erkenntnis und zur Heilung: „Aber magische Operation, gleich wie die Wissenschaft der Kabbala, entspringt nicht aus Geistern oder Zauberei, sondern aus dem natürlichen Lauf der subtilen Natur.“ (Volumen medicinae Paramirum).

 

Zur Zeit der Christianisierung waren es hauptsächlich Provinzialsynoden, die sich mit magischen Praktiken befassten. Dabei ging man selbstverständlich von der realen Wirkung der Magie aus. Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die kirchlichen Gesetze, wie das Decretum Gratiani und die dazu verfassten Kommentare der Dekretisten, der Dekretalistik und die Bußsummen.

 

Die im Mittelalter herrschende Auffassung, alle magi seien auch malefici ist dem römischen Recht entlehnt. Im sechsten Kanon der Synode von Elvira (um 300) wurde bestimmt, dass jemand, der einen anderen durch einen Schadenzauber (maleficium) getötet habe, auch zur Todesstunde keine Kommunion erhalten dürfe, da er sein Verbrechen nicht ohne Verehrung von Dämonen habe ausführen können. Nach dem Umfang der Texte kann man davon ausgehen, dass die häufigste Anwendung darin bestand, beim Mann Impotenz zu bewirken (impotentia ex maleficio). Ein bekannter Fall ist das Gutachten des Erzbischofs Hinkmar von Reims über die Ehe des fränkischen Königs Lothar II., dessen Frau Theutberga ihm keine Kinder geboren hatte. Er kam zu dem Schluss, dass sehr wohl ein Malefizium die Ursache sein könne, dahinter aber ein unergründliches, aber niemals ungerechtes Urteil Gottes stehe. Seine auch in anderen Gutachten niedergelegten Ansichten über die Impotenz durch Schadenzauber beeinflusste die Dekretisten bei ihrer Kommentierung des Decretum Gratiani. Aber man glaubte auch an die Möglichkeit, durch Wetterzauber Schaden zu stiften, auch an Beschwörungen (incantationes), an das Loswerfen (sortilegium), an den „bösen Blick“ (fascinatio). Als Methode ist zum Beispiel das Rückwärtssprechen von Gebeten bekannt. Magie konnte auch mit christlichen Riten verbunden werden. Der 7. Kanon der 13. Synode von Toledo (683) und der 5. Kanon der 17. Synode von Toledo (694) verboten das Totbeten durch Abhalten einer Totenmesse für noch lebende Personen. Dieses Verbot wurde auch in das Decretum Gratiani aufgenommen und im 13. Jahrhundert mehrfach erneuert. Dass solche Totenmessen für Lebende stattfanden oder geplant waren, ist noch für das 16. Jahrhundert bezeugt.

Auch die Herstellung antikonzeptioneller Tränke und Liebestränke wurde als Malefizium verurteilt. Dabei wurden vorwiegend Strafen für Kleriker festgesetzt, was darauf schließen lässt, dass diese als Gebildete Zugang zu entsprechender Literatur hatten. Generell wurden Klerikern, die lateinkundig waren und denen durch das Lesen der Messe ein übernatürliches Mittel zu Gebote stand, gern magische Fähigkeiten zugetraut. So wurden nicht nur Priester verurteilt, die während der Messe Beschwörungen rezitieren, um sich Frauen hörig zu machen, sondern es war ihnen auch möglich, als Dienstleister (gegen Bezahlung) die magischen Anliegen der einfachen Leute zu bedienen. Als Alternative zur magischen Tötung eines Menschen durch Totenämter stand das Totbeten mithilfe wiederholter Rezitation bestimmter Fluchpsalmen oder die Verwendung von Atzmännern (meist Wachsfiguren des Opfers) zur Verfügung, die ebenfalls im Liebes- und Todeszauber verwendet wurden.

 

Dämonenpakt

Schon Augustinus von Hippo verurteilte jegliche Magie, da diese immer auf einem Vertrag zwischen Menschen und Dämonen beruhe. Diesem Verdikt folgte auch das Decretum Gratiani. Diese Vorstellung vom Teufelspakt nahm in der hochscholastischen Dämonologie einen bedeutenden Platz ein.In den kanonistischen Quellen wurde er aber kaum erwähnt. In den wenigen Stellen wurde lediglich der Text des Decretum Gratiani wiedergegeben, und nur der französische Glossenapparat Animal est Substantia bringt als Beispiel die Legende aus dem 9. Jahrhundert, wonach ein Theophilus Vicedominus einen solchen Pakt geschlossen habe, aber dann von der Jungfrau Maria erlöst worden sei. Die Dekretisten befassten sich mit dem Teufelsbund im Zusammenhang mit der Wahrsagerei und unterschieden zwischen der gelehrten Wahrsagerei, die auf Grund spezieller Kenntnisse Künftiges prognostizieren könne und von einigen für erlaubt angesehen wurde, und dem Furor, der Besessenheit, die auf Grund eines Teufelspaktes in die Zukunft blicken lasse und daher eine schwere Sünde sei. Auch die Bußsummen betonten, dass magische Praktiken nur mit Hilfe des Teufels möglich seien, was den Schluss zulässt, dass ein solches Verhalten in der Beichtpraxis eine Rolle spielte.

 

Wahrsagen

Die Synoden erließen viele Vorschriften gegen die „Wahrsagerei“, so die Synode von Ancyra (314), von Agde (506), von Orléans (511), von Braga (572) und von Toledo (633) und andere. Dazu gehörte auch die Astrologie. Isidor von Sevilla unterschied in seiner Etymologiae zwischen einer astrologia naturalis, die zum Beispiel Wetterprognosen ermöglichte, und einer astrologia superstitiosa, die menschliches Verhalten voraussagte.

Die mittelalterliche Literatur befasste sich im Wesentlichen mit zwei Formen des Wahrsagens: 1. der Astrologie, 2. dem Loswerfen. Hinzu kam die Berücksichtigung bestimmter unheilbringender Tage.

 

 

Astrologie

Die Astrologie war den Christen durch das gesamte Mittelalter geläufig. Sie erlebte ihre Blütezeit im Hochmittelalter, als arabische und griechische Werke zu Astronomie und Astrologie allgemein zugänglich wurden. In der Renaissance übten die Hofastrologen eine große Wirkung auf die Beschlüsse der Regierenden aus, insbesondere auf die Bestimmung des richtigen Zeitpunktes für ihre Ausführung.

 

Man berief sich dabei unter anderem auf die Geschichte der griechisch als μάγοι („Magier“) bezeichneten drei „Weisen aus dem Morgenland“, die einem Stern nach Bethlehem gefolgt seien (Mt 2 EU). Die kirchliche Kritik betonte dagegen, dass der Glaube an die Wirkung der Gestirne sowohl die Allmacht Gottes als auch den freien Willen des Menschen leugne.

 

Im Decretum Gratiani werden die Astrologie und auch die Astronomie (superstitiones divinationis) sowie andere Naturbeobachtungen zum Zwecke der Vorhersage (superstitiones observationis) als verbotene Magie verworfen. Die Dekretistik begann dann zu differenzieren. Es sei erlaubt, den Lauf der Dinge mit Hilfe der Gestirne zu deuten, genauso, wie man aus bestimmten Symptomen auf die Krankheit und ihren weiteren Verlauf schließe. Die reine Beobachtung der Gestirne ohne Absicht der Weissagung sei erlaubt. Papst Alexander III. schildert in einer Dekretale den Fall, dass ein Priester mit Hilfe eines Astrolabiums das gestohlene Gut einer Kirche aufspüren wollte, und verurteilt ihn zu einer Kirchenstrafe. Man ging davon aus, dass die Gestirne auf diese Welt Einfluss ausüben, lehnte aber jegliche Beeinflussung des menschlichen Willens durch die Gestirne ab.

 

Es gab auch gewisse Tage, denen magische Eigenschaften zugeschrieben wurden. Besonders geläufig waren die so genannten „Ägyptischen Tage“, die für bestimmte Tätigkeiten (Reise, Heirat) besonders ungünstig waren. Es handelte sich um meistens 24, manchmal auch um 36 „verworfene Tage“. Auch die Neujahrsprognose war weit verbreitet. Dabei wurde von der Wochentagsgottheit, auf die der Neujahrstag fiel, der Jahresverlauf etwa für die Ernte vorhergesagt. Ihre Beachtung wurde als Sünde untersagt. Die Bußsummen erlaubten die Beachtung von meteorologischen Vorzeichen für die Landwirtschaft, wenn dabei keine Dämonen angerufen würden. Thomas von Chobham nannte einige der abergläubischen Beobachtungen: das Niesen beim morgendlichen Aufstehen, das nächtliche Rufen des Kauzes oder nächtliches Hundegebell als Vorzeichen des Todes im Haus.

 

Loswerfen

Auch die Methode des Losens erfreute sich großer Beliebtheit. Besonders unter Klerikern war das Bibellosen gebräuchlich (sortes biblicae), indem man irgendeine Bibelseite aufschlug und die gefundene Textstelle auf seine Fragestellung hin interpretierte. Diese Methode wurde sogar kirchlich anerkannt. Das Losen wurde sogar bei Bischofswahlen in ritualisierter Form (Prognosticum) anerkannt. Die kirchlichen Verbote des Bibellosens (Bibliomantie) richteten sich nur gegen die Anwendung für profane Fragestellungen. Diese Art des Losens gab es in mehreren Varianten: Das Ziehen von beschrifteten Zetteln, manchmal auch mit Bibelsprüchen, der Gebrauch von Losbüchern mit Tabellen und dazugehörigen Lösungsschlüsseln. Ein solches Losbuch unter dem Namen Sortes Apostolorum ist schon für das Jahr 494 nachgewiesen. Papst Gelasius I. erwähnt ein „liber, qui appellatur Sortes Apostolorum“.

 

Thomas von Aquin unterschied drei Arten des Losens:

 

das verteilende Los (sors divisoria),

das beratende Los (sors consultatoria) und

das wahrsagerische Los (sors divinatoria).

 

Das verteilende Los diene der Aufteilung von Gütern unter mehreren Berechtigten. Das beratende Los werde angewendet, wenn bei verschiedenen Handlungsoptionen zu entscheiden sei, was zu tun ist. Das wahrsagerische Los diene der Erkundung von verborgenen Sachverhalten. Während er gegen die ersten beiden Losverfahren unter bestimmten Umständen keine Bedenken hegte, verwarf er die sors divinatoria, weil das Wissen um Verborgenes allein Gott zukomme. Wesentliche Bedingung der Zulässigkeit der ersteren war die zwingende Notwendigkeit. Unter diesen Umständen erklärte er auch das Losverfahren bei kirchlichen Wahlen für zulässig.

 

Das Decretum Gratiani, die Dekretisten und Kanonisten des 12. und 13. Jahrhunderts befassten sich ausgiebig mit dem Thema der sortes. Denn das Losen, insbesondere durch Aufschlagen des Psalters, war bei der Wahl zu Kirchenämtern durchaus nicht unüblich. Gratian hielt das Loswerfen als ein von Gott in der Vergangenheit gebilligtes Mittel der Wahrheitsfindung und verwies dafür auf (Jos 7,16 EU), wo ein Dieb mit Hilfe des Losverfahrens identifiziert wird, auf (1 Sam 14,42 EU), wo Sauls Sohn Jonathan durch das Los überführt wird, gegen ein Verbot Sauls verstoßen zu haben, sowie auf weitere Schilderungen bis hin zu der Wahl des Matthias als Nachfolgeapostel des Judas in (Apg 1,26 EU). Auch zitiert Gratian Augustinus, dass das Loswerfen kein Übel sei, sondern ein Mittel, das bei menschlichen Zweifeln den Willen Gottes anzeige. Dann aber verwirft er das Loswerfen für die Gegenwart. Denn die kirchenrechtliche Entwicklung habe ein allgemeines Verbot gezeitigt, weil das Losen die Gläubigen zum Götzendienst verführen könne. Die Dekretisten waren ebenfalls der Meinung, dass das Loswerfen für sich genommen nichts Schlechtes, aber wegen der Nähe zum Götzendienst gleichwohl verboten sei. Manche aber hielten diesortes durch Aufschlagen der Bibel nach Gebet und Fasten doch für zulässig. Der Einfluss des Römischen Rechts führte auch dazu, dass einige Dekretisten das verteilende Losen zur Schlichtung von Rechtsfällen und auch das Verfahren bei Bischofswahlen vom Verbot ausnahmen. Der Glossenapparat Ecce vicit leo eines französischen Dekretisten (eventuell Petrus Brito) gibt eine weitere Differenzierung: Er hält auch das Losen zur Wahrheitsfindung für prinzipiell zulässig, es dürfe aber nicht zu einer Verurteilung führen, da es eine Umgehung des Beichtgeheimnisses sei.

 

In diesem Zusammenhang sind auch erhalten gebliebene Formen der Gottesurteile zu sehen, insbesondere die sogenannte Abendmahlsprobe, bei denen wie beim Losen göttliches Wirken angenommen wurde. Das 4. Laterankonzil von 1215 verbot aber Klerikern jegliche Beteiligung an Gottesurteilen mit Verletzungsfolgen, wie der Wasserprobe oder der Feuerprobe. Auch das Chrisam fand bei magischen Handlungen Verwendung. So sollte es vor Verletzungen bei der Eisenprobe schützen.

 

 

Magische Gegenstände und Texte

Zaubersprüche (incantationes) wurden seit jeher für magische Praktiken verwendet. Nach damaliger Vorstellung erhielten Amulette oder die zur Zauberei erforderlichen Zutaten wie Kräuter, Wurzeln oder Steine (bzw. Edelsteine) ihre Wirkung oft erst durch Zaubersprüche, die beim Sammeln oder bei der Zubereitung gesprochen werden. Auf die Anwendung von Zaubersprüchen steht nach dem Decretum Gratiani grundsätzlich die Exkommunikation. Eine Ausnahme macht Gratian, wenn dazu das Glaubensbekenntnis oder das Vaterunser verwendet wird.Das führte dazu, dass solche Kräuter und Steine nur dann nützten, wenn sie unter Beachtung christlich-ritueller Vorschriften gesammelt und zubereitet wurden. Unter diesen Umständen wurden sie sogar als Amulette gegen Besessenheit toleriert. Das Decretum Gratiani verbietet alle diese Mittel unter Berufung auf Augustinus, der alle Mittel, die die medizinische Wissenschaft nicht anerkennt, als nutzlose Zauberei verwarf. Sie wurden „Phylakterien“ genannt, wenn sie um den Hals gehängt werden, um bestimmte magische Wirkungen zu erzeugen.Den dekretistischen Schriften sind einige Praktiken zu entnehmen. Es handelte sich nach dem Dekretisten Rufinus um Zettel mit geheimen Zeichen oder um die Stirn gespannte Plättchen mit zehn Worten des Alten Testaments. Offenbar spielte er auf die jüdische Tradition an, Textstellen der Tora bei Gebeten um den Oberarm gebunden oder auf der Stirn zu tragen (Gebetsriemen). Nach den französischen Dekretisten schrieb man um den Hals getragenen Zetteln, auf denen das Glaubensbekenntnis oder Vaterunser stand, heilende Wirkung zu, und man akzeptierte diesen Brauch. Die Bußsumme des Thomas von Chobham betont die Wirkmächtigkeit der „heiligen Worte“ und sieht deren Geheimnis in der richtigen Verbindung mehrerer Buchstaben oder Stimmen, eine Kunst, die in Vergessenheit geraten sei, aber, wenn sie jemand beherrsche, erlaubt sei, wenn keine Dämonen beteiligt würden. Auch bei den Amuletten unterscheidet Thomas zwischen erlaubten und verbotenen. Wer allerdings heilige Worte als Beschwörung verwende, um Kräutern eine Kraft zu verleihen, die ihnen nicht zukommt, begehe eine schwere Sünde. Wilhelm von Rennes nannte in seinem Kommentar zur Summa de casibus von Raimund von Penyafort als erlaubte Praktiken, wenn an Christi Himmelfahrt Zettel mit kurzen Texten beschrieben würden; es handele sich aber um verbotene Magie, wenn man glaube, die Zettel seien nur wirksam, wenn sie erst nach dem Vorlesen des Evangeliums oder nach der Messe geschrieben würden. Da es sich um eine Handreichung für Beichtväter handelt, war diese Übung offenbar weit verbreitet.

Renaissance-Magie

 

Porträt John Dees (16. Jh.), Künstler unbekannt. Es soll Dee im Alter von 67 Jahren darstellen. Im Besitz von Dees Enkel Rowland Dee und später Elias Ashmole, der es der Oxford-Universität vermachte.

In der Renaissance wurden die hermetischen Schriften wiederentdeckt. Magier praktizierten davon inspiriert eigene Varianten neuplatonischer Zeremonialmagie. Als Gründungsfigur der Magie der Renaissance gilt Marsilio Ficino.  Andere Magier der Renaissance waren Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, Johannes Trithemius, Giambattista della Porta und Giordano Bruno. Als Magier wurden auch Johann Georg Faust[65] und Paracelsus angesehen. Unterschieden wurden in der Renaissance eine spirituelle Magie, Dämonenmagie und Naturmagie.

 

Giovanni Pico della Mirandola hing, wie auch sein Freund Ficino, einer Weltsicht der Emanation des Kosmos aus dem Göttlichen an. Er schuf eine Verbindung von Ficinos hermetischem Neuplatonismus, Christentum, Kabbala und der Mageia, der hohen Magie. Pico della Mirandolas Magie-Konzept geht davon aus, dass das Universum und die Natur durchdrungen seien vom Geist und die Magie dem Menschen das innere Wirken der Natur und des Kosmos zugänglich machen könne. Der heilige Magier vereint nach Pico della Mirandola die Erde mit dem Himmel, die Materie mit dem Geist. Durch den Zugang zu der Welt des Göttlichen kann man in Picos Magie einen gnostischen und mystischen Ansatz erkennen, der jedoch auch einen magischen Fundamentalismus enthält, nach dem der Mensch ein werdender Gott ist. In der hermetischen Tradition, insbesondere auch bei Pico della Mirandola, liegt in der Renaissance-Magie bereits eine holistische Perspektive vor, nach der in einem umfassenden Sinn alles ein Aspekt des Göttlichen ist.

 

Der Mathematiker, Geograph, Entwickler von Navigationsinstrumenten, Astrologe, Mystiker und Alchemist John Dee war der wohl bedeutendste christliche Engelsmagier. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern entwickelte er seine Engelsmagie in aller Öffentlichkeit. Daraus entstand eine ihm offenbarte Version der Henochischen Sprache. Dees Privatbibliothek war die größte Bibliothek Englands. Ihr Bestand ist heute Kern der British Library. Auch Anthony Graftons Untersuchungen zu neuzeitlichen Magiern zufolge sei Magie keineswegs, wie es das Vorurteil will, Antipode, sondern eher der Vorläufer von Aufklärung.

 

Magia naturalis

Unter Magia naturalis („natürliche Magie“) – der Ausdruck wurde 1558 als Titel eines Buches von Giovanni Battista della Porta geprägt, in dem sie – im Gegensatz etwa zu Hildebrands 1664 erschienener Magia Naturalis – noch als (damonenfreier) Teil der Naturphilosophie und Naturkunde begriffen wurde – verstand man eine Magie, die nach Agrippa von Nettesheim als eine Art Universalwissenschaft zu gelten hatte und die Physik, Mathematik und Theologie umfasste. Portas Werk erschien in jeweils verbesserten Auflagen. Man versuchte in der Renaissance, mit Hilfe der Magia naturalis die Begrenzung des erlaubten Wissens durchlässiger zu machen. Für Pico und dem folgend Porta stellte die magia naturalis eine activa naturalis Philosophiae portio dar, die mit der magia infamis nichts gemein habe. Heinrich Solter legte in der Verteidigung seiner Dissertation 1648 dar, die Beschäftigung mit Magie sei erstens Physik und zweitens habe nicht jegliche Form der Magie als unerlaubt (illicita) zu gelten. Der Missbrauch der Magie sei zu beseitigen, damit ihr Nutzen übrigbleibe, und Magie, die ihre Grundlagen in der Natur habe und frei von Aberglaube sei, sei erlaubt und ehrfürchtig zu betrachten.

 

Nach Solter umfasst die Magia naturalis sechs Bereiche (species):

 

Deutung außernatürlicher Zeichen, die in der Natur vorkommen und von Gott mit besonderen Kräften versehen wurden, insbesondere die Astrologie

Verwandlung von Körpern, die in der Verklärung Christi vorgeformt sei

Erschaffung und Anwendung von Wörtern, die Macht besitzen

Bilder und Skulpturen, in die die Kräfte des Himmels geprägt seien durch Charaktere und Figuren

Bilder aus Wachs und ähnlichen Materialien, die gegen Schadenzauber wirken

die Ars Cabalistica, die sich hier nicht auf die Theologie der Kabbala bezieht, sondern auf Anwendung von Buchstaben, Zeichen, Wörtern, Figuren und Sigillen.

Die Magia naturalis zeigt eine enge Verwandtschaft zur Magia daemoniaca, der verbotenen Magie, so dass Naturmystik und Naturphilosophie in die Nähe der Magia illicita gerückt wurden. Das Urteil darüber, ob es sich um natürliche, erlaubte Magie handele oder dämonische Zauberei, ergab sich zu dieser Zeit oftmals nur aus subjektiven, kollektiven, geistigen und konfessionellen Wertungen des Richtenden.

 

Neu und auch folgenreich war an der Magia naturalis die Berücksichtigung der Natur als Erklärungsmodell, auch wenn die Wirkungen nach unserem Verständnis dem Gegenstand, der sie angeblich erzeugt, nicht zukommen. Für die Entwicklung des naturwissenschaftlichen Denkens stellte die Magia naturalis trotzdem einen wichtigen Ausgangspunkt dar. Neben die Macht des Bösen trat in der Magie die Natur der occulta qualitas, und in den innerhalb der Theologie zugelassenen, sich aber mehr und mehr ausdehnenden Grenzen, stand nun der Erforschung der Natur nichts mehr im Wege.

 

Marsilio Ficino ging von einem dualen Wesen der Magie aus. Der Magia naturalis als natürlicher und spiritueller Magie und der dämonischen Magie, die aus seinen Schriften nur indirekt erschlossen werden kann. Agrippa von Nettesheim und Paracelsus zeigen Einflüsse dieser dämonischen Magie, die als eher volkstümlich anzusehen ist, während die Magia naturalis eine elitäre Naturmystik aufzeigt. Agrippe unterteilte Magie in eine natürliche (die magia naturalis), eine himmlische (magia coelestis) und eine zeremonielle (magia caeremonialis). Er wendet sich in De occulta philosophia, der ersten umfassenden und systematischen Schrift zu allen Arten der Magie, gegen die (Elemente der magia naturalis und magia divinatrix enthaltende) populäre Magie der bei Höfen als Zukunftsvorherseher vorstelligen Magier. Ficinos natürliche Magie fand Eingang in verschiedenste Bereiche, beispielsweise in die Musik- und Poesietheorien des Guy Lefèvre de la Boderie, in Veneto Giorgios Spekulationen über das rechtgläubige Christentum und in Antonio Persios Gedanken zum unorthodoxen Christentum. Im Planetenoratorium Fabio Paolinis und in Tommaso Campanellas Magielehre wurden diese beiden Stränge gegen Ende des 16. Jahrhunderts wieder vereint. Die Magia naturalis, deren Vorstellungen etwa in der Signaturenlehre, der magischen Korpuskulartheorie oder als Grundlage esoterischer Gemeinschaften weiterwirkten, wurde zu dieser Zeit ein Synonym für die Philosophia naturalis (und der Magier gegebenenfalls ein Philosophus naturalium rerum) und leistete bedeutende Beiträge zur Kunstästhetik, Religion und Anfängen der Psychologie und der modernen Naturwissenschaften.

 

Volksheiler in der frühen Neuzeit

In der frühen Neuzeit der europäischen Geschichte (1450–1750) gab es neben der intellektuellen Hochmagie der Renaissance auch im einfachen Volk vielfältige magische Praktiken. Diese wurden laut Susan Greenwood in Dörfern von „weißen Hexen“, die Zauberer, Hexer oder Weise waren, die als Volksheiler galten und deren Dienste in Anspruch genommen wurden, ausgeführt, insbesondere auch, um negative Wirkungen der schädlichen Hexen zu exorzieren. Andere magische Praktiken der weißen Hexen waren z. B. Wahrsagen und Herstellung von Heilmitteln und Heilzauber für viele Krankheiten, sowohl von Menschen als auch von Tieren. Die weißen Hexen galten als Kämpfer gegen die gefürchtete schädliche Hexerei, wozu magische Mittel benutzt wurden, weshalb auch die weißen Hexen im Volk gefürchtet waren, obwohl man ihnen Ehrerbietung entgegenbrachte. Hexen und Magie waren Teil der Volkskultur dieser Zeit, das Bild der bösen Hexe, die dämonische Züge hatte, wurde von der christlichen Kirche konstruiert, auch in Bezugnahme auf ältere griechische und römische Sichtweisen. So kam es dann nach und nach zum Klischee der bösen Hexe, die als antichristlicher Teufelsbündler angesehen wurde.

 

Die weißen Hexen trugen laut Greenwood oft auffällige Kostüme und schützten sich magisch durch Zaubersprüche und Orakel. In der Bekämpfung bösartiger Hexerei und schädlicher Wirkungen verwendeten sie jedoch auch viele Elemente des Christentums, u. a. auch katholische Gebete.

 

Der Glaube an Hexen war in der frühen Neuzeit im Volk stark ausgeprägt und das Christentum war laut Greenwood nicht auf orthodoxe Art und Weise verbreitet oder wurde überall orthodox praktiziert. So waren z. B. auch im England des 16. und 17. Jahrhunderts die ärmsten Bevölkerungsschichten keine regelmäßigen Kirchgänger und hatten so auch nicht alle christliche religiöse Vorstellungen, was die starke Verbreitung von magischen Vorstellungen und Mitteln erklärt.[94]

 

Magie ab dem 18. Jahrhundert

 

  1. B. Yeats, 1908 von John Singer Sargent. „Ich glaube an die Vision des Wahren in den Tiefen des Geistes, wenn die Augen geschlossen sind.“ W. B. Yeats, Essay Magie

Ab dem 17. Jahrhundert wurde die Magie in Europa in den Untergrund verdrängt, da die Magie im Vergleich zur Wissenschaft immer mehr als irrational galt. Ab dieser Zeit wurden viele magische Geheimgesellschaften gegründet, deren Traditionen die Magie bis zur heutigen Zeit geprägt haben. Die Magia naturalis wurde bis ins 18. Jahrhundert weiter überliefert, u. a. von Kabbalistik, Alchemie, Rosenkreuzern und Theosophie oder Pansophie. In England wurde die magische oder okkulte Tradition vom 16. bis zum 19. Jahrhundert auch von der Freimaurerei weiter überliefert. Die Magie des Freimaurertums ist bis in den Hermetic Order of the Golden Dawn eingeflossen und hat bis heute einen starken Einfluss auf die moderne westliche Magie.

 

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts fand wieder eine verstärkte Hinwendung zu innerseelischen, mystischen, magischen und esoterischen Themen statt. Herausragende Erscheinungen dieser Zeit waren z. B. Cagliostro und Franz Anton Mesmer mit seiner Lehre vom animalischen Magnetismus, welche der späteren Hypnotherapie den Boden bereitete und die Entwicklung des Spiritismus. Besonders in initiatorischen Rosenkreuzer-Orden wird der zeremoniellen Magie ein beachtlicher Stellenwert zugewiesen.

 

Die Romantik mit ihrer Hinwendung zum Unbewussten ging aus der Klassik und ihrer Tendenz zum apollinisch Verstandesmäßigen hervor. Damit entwickelten sich Autoren wie der Maler, Arzt und Naturphilosoph Carl Gustav Carus, der zu den Vorgängern parapsychologischer Forscher zählt. Zunehmend fand exotische Spiritualität Beachtung. Auch außerhalb der klassischen Kolonialländer fand dies seinen Niederschlag in den magischen Texten des 18. und 19. Jahrhunderts. Elemente magischen Denkens lassen sich beispielsweise bei Novalis, Friedrich Schlegel und Franz von Baader finden.

 

Im 19. Jahrhundert wurden magische Organisationen wie der Hermetic Order of the Golden Dawn gegründet mit kulturell bedeutsamen Persönlichkeiten wie William Butler Yeats und Algernon Blackwood als Mitglieder. Ein bekannter Wegbereiter des modernen Okkultismus im 19. Jahrhundert war z. B. auch Eliphas Levi.

 

 

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