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SuchendeSeele

- Meine Reise zum Ich

Nina Jäckle *Zielinski    

Zielinski

von Nina Jäckle

 

Eines Tages, aus heiterem Himmel, bauen Arbeiter in der Wohnung des Erzählers eine Holzkiste auf, die sie mit blauem Samt ausschlagen. Wenig später nimmt, nur durch eine knappe Notiz angekündigt, ein gewisser Zielinski von der Kiste Besitz. Besitz nimmt Zielinski, dieser gepflegte Herr in feinem Anzug, auch von seinem – unfreiwilligen – Gastgeber. Doch nur allzu bereitwillig unterwirft sich der Erzähler, dessen Name nie genannt wird, den Schlägen, die Zielinski mit seinem Spazierstock verabreicht. Völlig auf Zielinski und dessen Anwesenheit in der mit königsblauem Samt ausgekleideten Kiste konzentriert, zieht sich der Erzähler-Protagonist immer mehr aus seiner Umwelt zurück, einer Umwelt, die ihn mit Widerwillen und Wut erfüllt. Er riskiert den Verlust seiner Arbeitsstelle und schließlich nimmt er seine Nachbarin gefangen, sperrt sie in Zielinskis Holzkiste ein. Doch wie steht es mit dem Erzähler-Protagonisten selbst? Ist auch er nichts als ein Gefangener, seiner eigenen Phantasie ausgeliefert? Existiert Zielinski nur in seinem Kopf?

 

 

Meine Meinung:

 

Mit “Zielinski” geht Nina Jäckle ein Wagnis ein: Aus der Perspektive eines Betroffenen schildert sie dessen zunehmende Entfremdung – eine Entfernung sowohl von der nächsten Umgebung als auch von sich selbst. Dabei gelingt es Jäckle allerdings, genau den schmalen Grad zwischen Absurdität und Realität zu treffen. Zwar sind die Wahnvorstellungen des Erzählers für den Leser äußerst befremdlich. Zugleich aber bleibt der Protagonist immer so nah, dass man seine Zwangsvorstellungen trotz ihrer Abwegigkeit nie einfach als irreal von sich weisen möchte. Nicht zuletzt liegt dies an der klaren, präzisen, gänzlich unsentimentalen Sprache, die Jäckle für diese Geschichte eines Selbstverlustes findet. So verschleißt sich der Text auch bei wiederholtem Lesen nicht, im Gegenteil: Jeder weitere “Zielinski”-Lektüre ist ein neuerlicher Gewinn. Um noch ein letztes Lobeswort anzufügen: Ein Kleinod ist “Zielinski” nicht nur in literarischer Hinsicht. Rein optisch ist das hübsch gestaltete, mit einem königsblauen Umschlag versehene Bändchen zudem eine Augenweide.

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